Creating Impact – Wie können Hochschulen zu regionalen Transformationsprozessen beitragen?

von | Dec 8, 2022

Dieser Blogbeitrag ist aus einer Podiumsdiskussion auf der RGS-IBG-Jahrestagung 2022 hervorgegangen und baut auf den Beiträgen der Podiumsteilnehmer:innen (Christiane Spiel, Universität Wien, AT; Mark Tewdwr-Jones, UCL, UK; W. Nicol Keith, University of Glasgow, UK; Anja Smykowski, University Medical Center Groningen, NL; Caron Pomp, Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg, GER) und der Teilnehmenden auf.

Autor:innen: Valerie Daldrup (Fraunhofer-Zentrum für Internationales Management und Wissensökonomie), Iliyana Madina (Fraunhofer-Zentrum für Internationales Management und Wissensökonomie), Tim Rottleb (Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung), Suntje Schmidt (Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung, Humboldt-Universität zu Berlin).

 

Die Debatte über die Rolle von Hochschulen hat in den letzten Jahren im Zuge des Wandels zur Wissens- und Innovationsgesellschaft wieder an Fahrt gewonnen. Sozio-ökonomische Transformationsprozesse und die zunehmende Internationalisierung der Hochschulbildung haben die vielfältigen Rollen der Hochschulen in den Blick von regionalen Entscheidern und Hochschulfachleuten gerückt (Rottleb et al., 2022; Wolf et al. 2021). Fragen zum komplexen und vielschichtigen Charakter der gesellschaftlichen Wirkungen von Hochschulen über Lehre und Forschung hinaus finden dabei zunehmend Beachtung (Kempton et al., 2021; Postlep et al., 2020). Die so genannte „Dritte Mission“ oder „Dritte Säule“ der Hochschulen unterstreicht die Bedeutung und Relevanz des Wissens- und Technologietransfers zwischen verschiedenen (regionalen) Akteur:innen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Politik. Die Aktivitäten im Rahmen der dritten Mission umfassen auch die gemeinsame Schaffung von Wissen mit diesen Akteur:innen sowie das gesellschaftliche Engagement der Hochschulen als wichtiges Element neben Lehre und Forschung. Wir haben diese Prämissen für ein Panel auf der RGS-IBG Annual International Conference 2022 aufgegriffen und uns mit folgenden Fragen beschäftigt:

© graphicrecording.cool, Nino Bulling

  • Welche Rolle können Hochschulen / öffentliche Forschungseinrichtungen in regionalen Transformationsprozessen spielen?

 

  • Welche gesellschaftlichen Auswirkungen haben Hochschulen mit ihren Forschungsaktivitäten und wie schaffen sie sinnvolle Veränderungen? Kann diese Art von Wirkung dokumentiert werden und ist sie messbar?

 

  • Was sind die größten Herausforderungen für Hochschulen in regionalen Transformationsprozessen und wie können sie diese bewältigen?

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Auf diese Fragen gingen fünf Expert:innen aus unterschiedlichen akademischen Disziplinen und Arbeitszusammenhängen ein, sowohl vor dem Hintergrund ihrer Forschung als auch ihres Engagements im Bereich von Transferaktivitäten: Christiane Spiel, Mark Tewdwr-Jones, W. Nicol Keith, Anja Smykowski und Caron Pomp. Insgesamt betonten die Diskussionsteilnehmer:innen, dass Third-Mission-Aktivitäten zwar zu erweiterten lokalen Netzwerken und einer verbesserten regionalen Integration von Hochschulen führen können, die Auswirkungen von Third-Mission-Aktivitäten können aber möglicherweise erst über mittel- und langfristige Zeiträume (z.B. nach 5 und manchmal sogar 10 Jahren) erkennbar werden. In der Diskussion wurden vier Schlüsselpositionen zur Verbesserung der gesellschaftlichen Wirkung von Hochschulen herausgearbeitet.

(1) Regionale Integration von Hochschulen erfordert eine veränderte Denkweise und der Kultur in Bezug auf die Wirkung der Hochschulen. Hochschulen können als Akteure eines sinnvollen gesellschaftlichen Wandels begriffen werden. Sie können nicht nur technologische, sondern auch soziale Innovationen hervorbringen, die das Potenzial haben, die Lebensqualität und das gesellschaftliche Wohlergehen in ihrem regionalen Kontext zu verbessern. Zu diesem Zweck könnten die Hochschulen regionale Herausforderungen angehen und ihre Wissensgenerierung koordinieren, um zur Lösung dieser Herausforderungen beizutragen. So ist beispielsweise die Suche nach Lösungen für die Bewältigung von Herausforderungen im Umgang mit demographischen Wandlungsprozessen eines der Hauptziele des University Medical Center in Groningen. Ein weiteres Beispiel ist die Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg, die sich an der Gründung neuer Institute und Forschungsprojekte im Bereich der erneuerbaren Energien beteiligt, um die Transformation der ehemaligen Kohlebergbauregion in Ostdeutschland zu unterstützen. Die Auswirkungen dieser Maßnahmen sind kaum in Form von Arbeitsplätzen, Anzahl der Kooperationen oder in Geldwerten abzubilden, sondern in verbesserten Lebensbedingungen und aktiver Einbindung und Beteiligung der Bewohner:innen an regionalen Transformationsprozessen. Die Ausrichtung von Wissenstransferaktivitäten auf gesellschaftliche Bedürfnisse und regionale Herausforderungen erfordert nicht nur eine angepasste Transferkultur und Veränderungsbereitschaft, sondern auch umfassende politische Rahmenbedingungen als unterstützenden Hintergrund. Eine solche neue Kultur der Hochschulwirkung erfordert beispielsweise agile Strukturen und Prozesse an den Hochschulen, um in einem volatilen regionalen Umfeld mit wechselnden Anforderungen und Bedürfnissen handlungsfähig zu sein. Eine veränderte Kultur des Wissenstransfers muss nicht nur innerhalb der Hochschulen, sondern auch bei den regionalen Akteuren im Allgemeinen stattfinden. Ein Ansatzpunkt könnte sein, den gewünschten Mentalitäts- und Kulturwandel in der Lehre umzusetzen und so die neue Generation von Hochschulabsolventen auf diesen Wandel vorzubereiten.

(2) Um Wirkung zu erzielen, müssen Kapazitäten für den Transfer aufgebaut werden. In der Dritten Mission wird „Transfer“ häufig als dritte Säule der Hochschulen neben „Lehre“ und „Forschung“ bezeichnet. Das Panel argumentierte, dass „Transfer“ nicht als separate Säule, sondern als integraler Bestandteil von Lehre und Forschung verstanden werden sollte. So kann die Lehre beispielsweise Studierende dazu ermutigen, sich mit regionalen und gesellschaftlichen Herausforderungen auseinanderzusetzen und ihre Karriere und Forschungsaktivitäten entsprechend zu planen. Eine solche Wirkung kann bspw. beobachtet werden, indem die Karrierewege der Alumni und die Art und Weise, wie diese Veränderungen bewirken, beobachtet und dokumentiert werden. Ebenso können Transferaktivitäten in die Planung jedes Forschungsprojekts integriert werden, z. B. durch die frühzeitige Einbindung gesellschaftlicher Partner:innen, indem selbst Grundlagenforschung mit weniger direkten praktischen Auswirkungen durch intensive Wissenschaftskommunikation begleitet wird. Dies erfordert den Auf- und Ausbau von Kapazitäten. Ein Beispiel für den Aufbau von Kapazitäten ist das Zertifikatsstudienprogramm „Transferscout“ der BTU Cottbus-Senftenberg.

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Das Programm bildet die Teilnehmenden zu Transferspezialisten aus, die über die erforderlichen Kompetenzen verfügen, um Beziehungen zwischen akademischen Disziplinen und einer Vielzahl von gesellschaftlichen Partnern herzustellen und in einem transdisziplinären Umfeld zu kommunizieren. Das University Medical Center in Groningen beispielsweise hat ein spezielles Team für die Unterstützung der Wirkung eingerichtet, das die Öffentlichkeitsarbeit seiner Forschenden unterstützt und dadurch die regionale Wirkung der Universität erhöht (https://umcgresearch.org/w/impact-umcg). Die Universität Glasgow hat ein Bewertungssystem für Forschende und ihre gesellschaftlichen Wirkungen eingeführt, während die BTU Cottbus Teil einer Impact-Taskforce des Innovation Hub13 ist. Diese Beispiele zeigen, dass die Integration des Transfers in die Lehr- und Forschungstätigkeiten mit einem breiteren Kompetenzspektrum einhergeht, das Forschende und Vermittelnde benötigen.

(3) Um Wirkung zu erzielen, muss Transfer als Leistung anerkannt werden. Die Planung und Integration von Transferaktivitäten in Lehre und Forschung erfordert Engagement, Zeit und Mühe. Solche Aktivitäten sind kein Nebeneffekt von bereits laufenden Aufgaben und erfordern Zeit und Aufmerksamkeit. Akademische Karrieren werden jedoch nicht an den Beiträgen zu gesellschaftlichen Veränderungen gemessen, sondern an den Beiträgen zu akademischen Debatten. Um Forscherinnen und Forscher zu motivieren, zu ermutigen und zu unterstützen, sich mit regionalen Herausforderungen zu befassen, müssen ihre Beiträge gewürdigt und bewertet werden, auch in akademischen Lebensläufen.

(4) Regionale Wirkung von Hochschulen ist eng mit den Kommunikationsstrategien verbunden. Viele Hochschulen berichten bereits über ihre jährlichen wirtschaftlichen Auswirkungen mit meist quantitativen Ansätzen, wie es beispielsweise im Vereinigten Königreich vorgeschrieben ist. Die Messung der gesellschaftlichen Wirkung von Hochschulen ist jedoch weitaus schwieriger. Oft wird ihr Einfluss überhaupt nicht kommuniziert, insbesondere im Falle kleinerer Hochschulen – obwohl sie eine wichtige Rolle bei der Umgestaltung ländlicher Regionen spielen könnten. Geeignete personen- und themenzentrierte Indikatoren fehlen noch. Darüber hinaus besteht ein Bedarf an einer gemeinsamen und leichter zugänglichen Sprache zur Kommunikation und Visualisierung von Auswirkungen. Eine solche Sprache könnte nicht nur die öffentliche Wertschätzung für Forschung und Wissenschaft im Allgemeinen erhöhen, sondern auch die Beziehungen zwischen Hochschulen und den Menschen in ihrer Region vertiefen.

Weiterführende Literatur:

Berghaeuser H und Hoelscher M. (2020) Reinventing the third mission of higher education in Germany: Political frameworks and universities’ reactions. Tertiary Education and Management 26: 57-76. doi:10.1007/s11233-019-09030-3

Brekke T. (2021) What do we know about the University contribution to regional economic development? A conceptual framework. International Regional Science Review 44: 229-261. doi.org/10.1177/0160017620909538

Cinar, R., & Benneworth, P. (2021). Why do universities have little systemic impact with social innovation? An institutional logics perspective. Growth and Change, 52(2), 751-769. doi:https://doi.org/10.1111/grow.12367

Kempton, L., Conceição Rego, M., Reinaldo Alves, L., Vallance, P., Aguiar Serra, M., & Tewdwr-Jones (2021). Putting universities in their place: An evidence-based approach to understanding the contribution of higher education to local and regional development. Regional studies policy impact books. London: Routledge.

Postlep, R.‑D., Blume, L., & Hülz, M. (Eds.) (2020). Hochschulen und Ihr Beitrag für eine nachhaltige Regionalentwicklung. Forschungsberichte der ARL: Vol. 11. Hannover: Akademie für Raumforschung und Landesplanung.

Rottleb, T., Kleibert, J. M., & Schulze, M. P. (2022). Developing Successful Transnational Education Hubs: Key Challenges for Policy Makers. IRS Dialog No. 4/2022. Erkner.

Wolf, P., Harboe, J., Sudbrack Rothbarth, C., Gaudenz, U., Arsan, L., Obrist, C., & van Leeuwen, M. (2021). Non-governmental organisations and universities as transition intermediaries in sustainability transformations building on grassroots initiatives. Creativity and Innovation Management, 30(3), 596-618. doi:https://doi.org/10.1111/caim.12425

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